Hütet euch, ihnen zu sagen, daß zuweilen verschiedene Städte auf demselben Boden und mit demselben Namen aufeinander folgen, entstehen und vergehen ohne gegenseitige Mitteilbarkeit. Manchmal bleiben auch die Namen der Einwohner und der Klang der Stimmen und sogar die Gesichtszüge die gleichen; doch die Götter, die unter den Namen und über den Orten thronen, sind wortlos gegangen, und an ihrer Stelle haben sich fremde Götter eingenistet (...)
Italo Calvino: Unsichtbare Städte, übersetzt von Heinz Riedt
„Zwischen Stettin und Szczecin. Metamorphosen einer Stadt von 1945 bis 2005" ist der Titel des neuen Buches von Jan Musekamp, das von unserem Zentrum als Serie studia brandtiana translationes herausgegeben wurde. Das Werk von Jan Musekamp (einem jungen wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder) wurde vom Botschafter der Republik Polen in Berlin ausgezeichnet.
Nach 1945 besiedelten die ihnen fremde Stadt Neubewohner Stettins, abstammend aus allen Ecken Polens der Nachkriegszeit, aus den von Sowjetunion sich angeeigneten Grenzgebieten Ostpolens aus der Vorkriegszeit und aus Westeuropa. Die Stadt kam ihnen nicht nur aufgrund der deutschen Beschriftungen fremd, oder aufgrund der noch gebliebenen Deutschen, sondern in erster Linie aufgrund des vorgefundenen Kulturerbes.
Somit begann der Prozess der kulturlichen Eingewöhnung der neuen Stettiner mit der Stadt: die deutschen Beschriftungen wurden entfernt, Strassennamen wurden umbenannt und neue Denkmäler wurden gebaut.
Jedoch konnte derartige Umwandlung einer deutschen Stadt in eine rein polnische nicht vollkommen gelingen, da ein grosser Teil des Architekturerbes aus der deutschen Zeit den Krieg überdauert hatte.
Zwar bemühte sich die Propaganda jene "unpolnische" Herkunft durch Erfindung verschiedener Mythen zu verwischen,
jedoch das Verschweigen des deutschen sowie des preussischen Erbes erwies sich als problematisch.
In seiner Veröffentlichung erforschte Jan Musekamp nicht nur entscheidende Ereignisse für Stettin, sondern befasste sich ebenso mit den aktuellen Problemen: der Identitätssuche durch die heutigen Stettin-Einwohner, dem Bau einer "neuen Altstadt", der Rückkehr des Sedina-Denkmals oder der die deutsche Vergangenheit mit der polnischen Gegenwart zusammenschweissende Literatur von Artur Daniel Liskowacki.
Zum Nachlesen: Kritik von Jörg Hackmann, geschrieben für H-Soz-u-Kult